Foto Christa Strobl

Die wenigsten Gemeinden können von sich behaupten, ihr eigenes Ave Maria zu haben. Hitzendorf kann es, denn Hitzendorf hat ja auch seinen eigenen Reischl.

Der Ostermontag des Jahres 1975 brachte Werner Reischl seine persönliche Erleuchtung. Seine Band “Regenbogen” sorgte beim Ball der JVP im Gasthof Fürndörfler für den guten Ton und eine gewisse Margret an der Kasse für einen Blitzeinschlag beim Bandleader. Seit der Hochzeit 1978 ist der nunmehrige Pensionist Hitzendorfer und seit 1988 vierfacher Vater. Und vor allem glücklich.

Bis zu besagtem Ostermontag war Werners privater und beruflicher Lebensweg zumindest aus der Sicht seiner damaligen Lehrer anders vorgezeichnet. Wie alle sieben Reischl-Brüder (“Die Hitzendorfer Stiebers haben uns um einen geschlagen, die sind acht.”) war auch er Ministrant, ein von diesem Dienst faszinierter noch dazu. Als Internatsschüler am Bischöflichem Gymnasium in Graz – obwohl selbst Grazer aus Liebenau – war er mit der Erwartungshaltung konfrontiert, ins Priesterseminar einzutreten und fortan einen Beruf auszuüben, der aus nicht jedem verständlichen Gründen ein Zölibat voraussetzt. Ob da wohl eine göttliche Macht am Werk war, die für die Begegnung von Margret und Werner verantwortlich zeichnete?

Hauptsache Nebenberuf

Alle sieben Brüder haben vom Vater, einem Werkmeister bei Puch, das rhythmische und von der Mutter das melodische Talent vererbt bekommen und erhielten und nutzten die Möglichkeit, ein Instrument zu erlernen. Aber die Eltern achteten darauf, dass ihre Kinder auch eine Ausbildung für einen sogenannten ordentlichen Beruf machten – und, wie sich zeigen sollte, auch dort erfolgreich waren. Mit langen Zähnen verfolgten Werner und sein Bruder Bernd, elf und zwölf Jahre alt, wie die älteren Reischl-Buam als White Stars allerorten Ovationen ernteten. Und so konnte es einfach nicht ausbleiben, dass auch die zwei jüngsten Reischls sich dem Verlangen ihrer Gene beugten und mit zwei Freunden eine eigene Combo namens Regenbogen  auf die zuerst näheren, bald aber auch schon weiter entfernten Bühnen stellten. Auf dem Weg des Ensembles, das dann in den Neunzigerjahren nach einer Reihe beruflich bedingter Umbesetzungen zerfiel, lagen Gold und Platin für seinen Hit “Franz, fahr net nach San Francisco!”.

600+

Sein Dasein als Lehrer im weitesten Sinn erforderte Werners Absprung vom Regenbogen, nicht aber von der Musik. So führte seine brotberufliche Karriere nach Abschluss von Pädak und Theologiestudium über einige Grazer Schulen letztendlich zwecks Aus- und Fortbildung von Lehrern an die Kirchliche Pädagogische Hochschule. Zeitgleich mit seiner Pensionierung 2011 wurde er zum Besitzer eines Wohnwagens, den Margret und er vorzugsweise in kroatischen Buchten einparken.

Wie jeder Kirchgänger weiß, liegt Werners musikalisches Zentrum in Hitzendorf. Ihm verdankt die Pfarrgemeinde nicht nur das eingangs erwähnte Ave Maria, hier liegt auch der spirituelle Quell für seine “Neuen Religiösen Lieder”, eine mittlerweile auch schon vergoldete Albenreihe. Der Herr Oberstudienrat Professor Magister Reischl zeichnet hier aber nicht nur für Textierung und Komposition verantwortlich, sondern tritt zumeist auch als Interpret in Erscheinung (schließlich ist er ja auch ausgebildeter Sänger).
Text und manchmal auch Melodiespenden des gemeinsam mit seiner besseren Hälfte an der Flöte fast allsonntäglich in der Pfarrkirche zu erlebenden christlichen SingerSongwriters gibt es nach wie vor auch für die White Stars sowie etliche andere Formationen in der Schlagerbranche. Die Themen sind da allerdings ein bisschen weltlicher und Gottes Lohn schlägt sich in Euros nieder. Sein gesamtes bisheriges Œuvre schätzt er auf gut sechshundert Nummern.

Nur noch spannend

Früher war sein Alltag zu spannend, weil er immer an drei Dingen gleichzeitig arbeitete. Heute ist er nur noch spannend und durchaus konträr. Den regelmäßigen Reischl-Treffen der sieben Brüder mit ihren Familien und der 91-jährigen Mutter im Elternhaus stehen lange aufgeschobene Lesestunden und ausgedehnte Waldspaziergänge des Schwammerlexperten Werner Reischl gegenüber. So haben auch die Steirer ihren Pilz-Kopf.